Ivan Sotinkov

Petersburger Stadtlandschaften in der Neue Akademie der schönen Künste,
Pushkinskaya 10, St. Petersburg

Text auf russisch >> zurück zur Sammlung 2 x 3 m >>
Text in Russian >> Back to Collection 2x3m >>
"GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" >>


Ivan Sotinkov
P M ZH
S P B
P Z ZH
ab dem 19. Januar, 2008
Neue Akademie der schönen Künste,
Pushkinskaya 10, St. Petersburg
(Ligovskyi Prospekt 53)
Text: Ekaterina Andreeva


Der Kampf um Ivan Sotnikov

In der Geschichte der beiden bekanntesten Künstlergruppen der Leningrader 80er – der „Neuen Künster“ und „Mitki“ gibt es eine bezeichnende Episode: der Kampf um Ivan Sotnikov. Der Künstler Sotnikov wurde zum Gegenstand eines Streites, und zwar deswegen, weil die „Mitki“ gerne seine wunderbare Malerei zu der ihrigen zählen wollten: sie hielten nämlich irrtümlich sein ehrliches Interesse an ihrer Lebensweise für die schöpferische Teilnahme an der künstlerischen Richtung ihrer Bewegung.

Diesen Irrtum kann man voll und ganz verzeihen, wenn man sich das umfassende Spektrum seiner Bildersprache vor Augen führt. Bei keinem anderen der „Neuen“ strömte der wilde Stil so märchenhaft schön, so zart und in so freundschaftlicher Beziehung zur umgebenden Welt. Bei Sotnikov, seinem Freund und Kampfgefährten beim „Null-Objekt“, lernte Timur Novikov, die Welt als vollkommen gute abzubilden. Und aus dem Schneefall auf dem Bild „Kirche in Vyritsa“ (in der Sammlung des Staatlichen Russischen Museums) entstand eine ganze Genealogie von Landschaftsmalerei, mit dem vollen Reichtum des Lebens.

Trotz der einhelligen Anerkennung seines künstlerischen Talents (der Künstler Vladimir Nikolaevitch Schagin selbst schlug ihm vor, sein Bild „Der Andere“ gegen ein eigenes zu tauschen) verläßt Sotnikov in den Neunzigern die Malerei zugunsten der Religion, er nimmt die Priesterweihe an und dient in orthodoxen Kirchen. Und doch war die Kunst für Sotnikov nie Handwerk oder Beruf, sondern Teil seiner Natur. Daher kehren nach vielen Jahren seine Bilder zu Ausstellungen zurück, und die Einzelausstellung der Malerei Sotnikovs mit dem Titel

„P.M.Zh“
S.P.B.
P.Z.ZH“

eröffnet am 19. Januar 2008 die neue Saison des Museums für zeitgenössische Kunst in den Räumen der Neuen Akademie der schönen Künste in der Puschkinskaya 10.

Die Abkürzungen S.P.B.
[1] und P.M.Zh. [2] sind zwar klar, nicht aber P.Z.Zh [3] – dies bedeutet „Landschaft“, und zwar im kirchenslawischen Geist verschüsselt, indem die Vokale fortgelassen sind. Ein solches Vorgehen diente immer einer magischen Zielsetzung, um das Sakrale nicht vollständig preiszugeben und nicht zu profanisieren. Die Ausstellung zur petersburger Landschaft ist ausgesprochen aktuell. Hat sich doch seit den fünf vergangenen Jahren das Gesicht der Stadt heftig verändert. Es tauchen auf ihr, mal hier, mal dort, Supermegakioske aus Glas auf. Wenn sich dies so fortsetzt, wird von S.P.B und vom antisowjetischen Leningrad Dostojewskis keine einzige historische Ansicht und kein heiler Fleck bleiben. Der P.M.Zh. Sotnikovs ist genau ein solcher Ort: der Pokrowskaer Platz, in den die Sadovaya nach ihrem mannigfaltigen Verlauf einmündet.

Im Jahre 1917 bekräftige Aleksandr Blok, der die Zertstörung der europäischen Kultur vorausfühlte und selbst zu erleiden begann, dass es keine Folgen nach sich zieht, wenn die Venus von Milo stirbt, da ja ihr Geist und das Sakrale und Nichtmaterielle bleibt. Das Verschwinden der Vokale und damit der Erklingen der Konsonanten von „P.M.Zh -S.P.B. - P.Z.ZH“ kündet davon, dass die materiellen Grundlagen und Lebensformen unserer Stadt unablässig und irreversibel mutieren und herabsinken. Sotnikov zeigt mit dieser lakonischen und poetischen Bezeichnung, durch seinen grotesken Scherz, als erster ganz deutlch die geschichtliche Bedeutung dessen, was sich gerade abspielt. Seine Bilder aber - malerische Portraits der architektonischen Grundformen S.P.B. – sind womöglich die letzten Worte des petersburger Mythos.

Ekaterina Andreeva

Übersetzung: Hannelore Fobo, 2008

Anmerkungen der Übersetzerin:

[1] P.M. Zh. Geläufige Abkürzung von postayannoe mesto zhitelstva = ständiger Wohnsitz, ein begehrter Rechtstitel, deren Besitz die legalen Bewohner Leningrads von den illegal Zugewanderten unterschied.

[2] S.P.B. Geläufige Abkürzung von St. Petersburg

[3] P.Z.ZH. Abkürzung für peizazh (aus dem französischen „paysage“) = Landschaft, unter Auslassung der Vokale


Galerie Borey, St. Petersburg

vom 30. Januar bis zum 17 Februar 2007

Vom 30 Jamuar bis zum 17. Februar stellt die "Gesellschaft der Freunde der Malerei und Zeichnung" in der Galerie Borey unter dem Titel "Landschaften" Gemälde und Grafiken aus.

Die "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" wurde am 27. Juni 2004 von Ivan Sotnikov und Aleksandr Florenskiy geschaffen.

Bei der "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" handelt es sich um eine Initiative von Künstlern, deren einige dem größeren Publikum durch bekannte Künstlergruppen der 80er Jahre wie "Mitki" und "Die Neuen Künstler" vertraut sind.

Die "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" hat sich zur Aufgabe gestellt, in die Epoche des Postmodernismus die überlieferten künstlerischen Werte zurückzubringen, insbesondere die Propagierung solcher Praktiken, die völlig aus dem Arsenal der zeitgenössischen Kunst verschwunden sind, wie das Malen und Zeichnen nach der Natur.

Von 2004 bis 2006 hat die "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" Freiluftseminare an folgenden Orten durchgeführt: Solovetskiy Inseln, Ferapontovo, Valaam, Tsarskoe Selo, Norilsk, Nizhniy Novgorod und Cherson. Darüberhinaus habe einzelne Mitglieder der "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" individuelle Reisen durchgeführt: nach Rom, Balaklava, Vyritsa, Borisova Griva, Staraya Ladoga, auf die Insel Konevets und zur Landzunge Cape Cod

Für die nächste Zukunft plant die "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" Freiluftseminare in Krasnoyarsk, Yaroslavl, Staritsa sowie in Georgien, Estland, Dänemark und Norwegen. In Vorbereitung sind Seminare, die dem Portrait und dem Stilleben gewidmet sind.

Die Ergebnisse der zweijährigen Arbeit der Künstler der "GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER MALEREI UND ZEICHNUNG" werden mit dieser Retropektive, die vom Kunst-Zentrum "BOREY" und der Abteilung der Gegenwartskunst des Staatlichen Museums der "Sammlung Tsarskoe Selo" vorbereitet wurde, fast vollständig präsentiert.

Ivan Sotnikov