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Trinität, Glaube und Wissen


9. Quantenphysik und Universalienstreit

Die mechanische Vorstellung der Welt wendet einen Trick an. Sie stellt sich das Weltgeschehen zu einen bestimmten Zeitpunkt vor, gewissermaßen eingefroren, und dann zu einem späteren Zeitpunkt, ebenfalls eingefroren, und fügt dann (axiomatisch) eine kausale Beziehung zwischen diesen beiden Zustände ein. Beziehungen zwischen Gegenständen stellt man sich ausschließlich als Stoßwirkungen einer Masse auf eine andere Masse vor, die zusätzlich der Gravitation unterliegen wie im Gesetz des freien Falls. Diese Annahme führte in der Newtonschen Mechanik zum „Billardmodell“ des Lichtes: alle Farben sind als Teilchen „versteckt“ im weißen Licht enthalten. Sie geben sich erst beim Auftreffen auf Materie zu erkennen, wenn eine bestimmte Farbe aufgrund ihrer speziellen Teilchen vom materiellen Objekt zurückgeworfen wird (die restlichen Farben werden „verschluckt“.) . 

Die moderne Physik wollte sich aber nicht begnügen mit Hypothesen über das, was zwischen Anfangs- und Endzustand passiert, sondern dieses Geschehen in seinem Verlauf untersuchen.

Dabei hat es sich herausgestellt, dass es nicht möglich ist, mit einem einzelnen Experiment gleichzeitig Beobachtungen – genauer:  Messungen – über das Vorher, das Nachher und das Geschehen selbst zu machen.

Dies zeigt das berühmte Doppelspaltenexperiment: wir müssen uns entscheiden. Entweder messen wir die Zustände des Photons vorher-nachher (dann leiten wir daraus den Impuls ab) oder wir messen den Prozess, d h. den Impuls des Photons: dann verändern wir seinen Impuls aber und damit auch das Nachher des Photons. Eigentlich ist das ein Verhalten, das wir nur dem menschlichen Bewusstsein zugestehen: wenn wir einen denkerischen Prozess, in welchem wir stehen, messen (also ihn unterbrechen, beispielsweise beim Schreiben), verändern wir das Ergebnis. „Weiß“ das Photon, was mit ihm passiert?

Hierzu ein kurzer Exkurs zum Doppelspaltenexperiment, beginnend mit dem allgemeinen „Verhalten“ des Photons.

Schießt man ein Photon (ein masselos Objekt, ein Teilchen) aus einer Lichtquelle ab, erzeugt es einen Einschlag auf einer Rückwand, einen Detektorschirm. Der Ort, auf dem es auftritt, lässt sich jedoch nicht voraussagen. Man spricht davon, dass das Photon alle möglichen Wege und Umwege gehen kann („Streuung“); für uns bleibt sein Weg zufällig, allerdings nicht komplett zufällig, denn die kürzeren Wege sind wahrscheinlicher und die längeren (oder Umwege) weniger wahrscheinlich. Insofern verlassen wir hier bereits die klassische Physik, bei der unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse eintreffen, und begeben uns in den Bereich der statistischen Voraussagen für Quantenobjekte. Die Streuung der Teilchen kann man graphisch als Amplitude abbilden. Ihr Maximum zeigt die größtmögliche Wahrscheinlichkeit für den Ort des Einschlags, und die geringen Wahrscheinlichkeiten werden einfach nicht mehr dargestellt, da die Schwingungsbreite der Amplitude ins Unendliche geht.

Andererseits zeigt die Verteilung der Einschüsse in ihrer Gesamtheit unter bestimmten Voraussetzungen ein spezifisches Wellenmuster, und zwar im Doppelspaltexperiment. Daher spricht man vom Welle-Teilchen-Dualismus der „Quantenobjekte“.

Im Doppelspaltexperiment schießt man ein Teilchen, beispielsweise ein Photon, auf eine Platte mit zwei Spalten, durch welche es „hindurchschlüpft“, bevor es auf dem Schirm auftritt. Wenn man diesen Versuch nun genügt oft wiederholt (je öfter, umso besser), erkennt man auf dem Schirm ein symmetrisches Muster. Es erinnert an den Anblick von Wellpappe, nur dass die Wellenberge unterschiedlich breit sind: in der Mitte der breiteste, und dann nach beiden Seiten zunehmend schmalere. Die Häufigkeit der Einschläge am jeweiligen Ort bildet die Amplituden dieser Welle.

In der Tat, wenn man die Verteilung als Histogramm darstellt, so erkennt man die typischen Interferenzen (Überlagerungen) einer Welle – beispielsweise einer Wasserwelle –, welche durch zwei Spalten gegangen ist. Ihre Amplituden lassen sich mathematisch ohne Schwierigkeiten mit Hilfe des Abstands der Doppelspalte und einiger anderer Parameter berechnen. So können wir für jedes Photon voraussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es an welchem Ort des Schirms landet. Was sich nach vielen Durchgängen auf dem Schirm visualisiert, ist offensichtlich der spezifische Impuls (Wellenpaket) des Photons. Die Wahrscheinlichkeit ist präzise.

Dann müsste das einzelne Photon aber bereits als „Welle“ durch den Doppelspalt gegangen sein, populär gesagt, gleichzeitig durch jede der beiden Spalten (unscharf bezüglich des Ortes). Diese Gleichzeitigkeit zeigt sich auf dem Schirm in den Interferenzen. Das wiederspricht aber dem Alltagsverstand: ein Teilchen kann hypothetisch, aber nicht tatsächlich unscharf, hier und dort sein: in Wirklichkeit benutzt es nur eine der beiden Spalten. Oder? 

Wir wollen das Geschehen verfolgen und bauen eine Apparatur in die Versuchsanordnung ein: sie misst an beiden Spalten, ob ein Photon hindurchgegangen ist oder nicht.

Jetzt treffen die Photonen auf dem Schirm tatsächlich nicht mehr in einem Wellenmuster, sondern in zwei separaten Spalten auf (mit dem jeweils dazugehörigen Beugungsmuster). Genauer gesagt, die Abbildungen zeigen, dass 50% der Photonen durch die eine und 50% durch die andere Spalte gegangen sind, was mit unserer Messung übereinstimmt. (Eine weitere paradoxe Feststellung ist, dass, obwohl unsere Messung den Ort des Durchgangs erst festgelegt hat, wir nach dem Zufallsprinzip eine 50% Wahrscheinlichkeit für jede der beiden Spalten erhalten.)

Eine schematische Darstellung findet sich beispielsweise hier:

http://www.joergresag.privat.t-online.de/mybkhtml/chap33.htm

Die Messung als solche hat zu einen schwerwiegenden Eingriff in das Ergebnis geführt: die Interferenzen verschwinden. Erst jetzt erhalten wir das Ergebnis, das wir für Teilchen eigentlich erwarten, aber nur, weil es seinen ursprünglichen Impuls verloren hat.

Anders ausgedrückt: Wir können das Photon auf seinem Weg nicht „verorten“, ohne seine ursprüngliche „wellenförmige“ Bewegung zu zerstören.

Es ist aber doch als Teilchen „losgeflogen“ und angekommen, und so muss es doch von A nach B irgendeinen Weg gegangen sein, auch wenn er sich nicht messen lässt. Es kann sich doch nicht wegen der Spalten kurz geteilt und dann wieder zusammengefügt haben.

Oder ist es für den Fall, dass wir nicht messen, sinnlos, von einem Weg zwischen A und B zu sprechen? Vielleicht war das Photon zwischendurch nicht mehr lokal vorhanden, sondern irgendwie virtuell?

Einstein war bekanntermaßen der Auffassung, dass es solch eine lokale Realität geben müsse, und zwar unabhängig vom Beobachter, und dass somit in der Quantenmechanik ein Zwischenglied fehle, eine Art Variable, die uns eine solche Realität vermittelt. Die Wahrscheinlichkeit verbirgt die Realität. Mit anderen Worten: wir sind noch nicht am Ende der Erkenntnis.

Demgegenüber hat sich die Kopenhagener Deutung, durchgesetzt, dass wir über ein Quantenobjekt allein sagen können dass es sich „unterwegs“ bzw. „ungemessen“ an unendlich vielen Orten aufhält, jedoch mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit (ausgenommen die Wahrscheinlichkeit 1). Gleichzeitig da und dort zu sein, jedoch mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit da beziehungsweise dort – das ist eine wirkliche Eigenschaft des Quantenobjekts, und die Wellenfunktion beschreibt diese Eigenschaft zur Gänze. Anders ausgedrückt, uns ist egal, ob das ungemessene Quantenobjekt sich wirklich an irgendeinem dieser Orte zur Gänze aufhält, denn uns genügt seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit für jeden der möglichen Orte vollkommen. Damit können wir erfolgreich rechnen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Zwar verwirft die Kopenhagener Deutung nicht grundsätzlich die Möglichkeit, dass das „ungemessene“ Photon seinem Weg von a nach b als Teilchen tatsächlich „Schritt für Schritt“ durchläuft, aber indirekt schon. Die Messung an den Spalten erzeugt nämlich einen „Kollaps der Wellenfunktion“. Es kollabiert hier nichts physisch, sondern dieser Ausdruck beschreibt nichts anderes, als dass die Messung der Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeit Null zuweist (und der Teilchenfunktion die Wahrscheinlichkeit 1). In dieser Hinsicht ist die Kopenhagener Deutung eine reine Denkfigur, zumindest im Hinblick auf den starren dreidimensionalen Raum.

Nicht zuletzt die Frage nach dem Wesen des Lichts hat die Physik dazu gebracht, überkomplexe theoretische Gebäude zu entwickeln, in denen sämtliche Eigenschaften der sinnlich erfahrbaren Welt in Frage gestellt werden. Zu dieser sinnlich erfahrbaren Welt gehören in erster Linie die Existenz eines kontinuierlichen Raums und einer kontinuierlichen Zeit, aber auch der lokale Realismus, also die Bestimmtheit von Teilsystemen innerhalb übergeordneter Systeme, die aussagt, dass wenn ich ein System als Ganzes kenne, auch sagen kann, was in jedem seiner Teilsysteme passiert.

Vor allem aber interessiert, ob es Etwas gibt, das zu gewissen Zeiten keinen Ort besitzt und sich damit überall gleichzeitig aufhält, in allen „möglichen Welten“ (Mulitverse) – in einer Art göttlicher Allgegenwart. Und ob dieses Etwas eine reale (augenblickliche) Existenz an einem bestimmten Ort einnehmen kann als Sonderfall des An-vielen-Orten-Sein-Könnens (entsprechend der Teilchenfunktion mit Wahrscheinlichkeit 1) – und wenn ja, und ob dieser Sonderfall dem echten Zufall unterliegt. Mit anderen Worten, ob es der echte Zufall ist, der mit dem „Kollaps der Wellenfunktion“ für den konkreten Fall alle möglichen Welten zugunsten einer einzigen Welt vernichtet, nämlich zugunsten des hier und jetzt. 

Denn worin besteht unsere physische Gegenwart im dreidimensionalen Raum? Darin, dass wir mit unserem Körper einen bestimmten Ort mit der Wahrscheinlichkeit 1 einnehmen und dem Ich Gelegenheit geben, sich in ihm zu spiegeln. Dadurch entsteht „mein“ Bewusstsein von Gegenwart, von Kausalität, von zeitlicher Abfolge –Selbstbewusstsein. Wenn das Ich die Bindung an den Körper verliert, im Schlaf und erst recht nach dem sogenannten Tod, dann sind wir in den „möglichen Welten“, haben wir ein anderes Bewusstsein.




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Veröffentlicht 6. Dezember 2021