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Die Leningrader 80er im Werk von (E-E) Evgenij Kozlov

Die Neuen Künstler und das Neue Theater: "Das Ballet der drei Unzertrennlichen"



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• Igor Khadikov's article (2001)

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Новые Художники и Новый Театр: "Балет Трех Неразлучников" ... русский текст >>

Die Tradition, den Beginn einer neuen Epoche mit einem Remake der Themen Dostojewskijs und Tolstojs zu begehen, währt schon länger als zehn Jahre. Die Filme der Tauwetterzeit und die jüngsten Moskauer Produktionen der "Anna Karenina" als Comix sowie des neuen russischen Idioten von "Daunchaus" (1) aus gehören in diese Reihe. Sie unterstreichen zwar nicht unbedingt die fortgesetzte Akzeptanz der "Größe" der Klassiker, aber doch deren Fähigkeit, sich wieder und wieder zu verkaufen, wenn auch jedes Mal in einer "neuen, verbesserten Form".

Igor Verichev,Timur Novikov


Igor Verichev,Timur Novikov

Timur Novikov, Ulyana Ceytlina, Chor der Stilyagi

In der Saison 1984/85, zu Beginn der vorletzten Großen Veränderungen, stelte das "Neue Theater" der Petersburger "Neuen Künstler" im Goroshevski- Theater in der Tchernishevskij-Strasse nacheinander gleich drei Klassiker auf die Bühne: Dostojewskijs "Idioten", Tolstojs "Anna Karenina" und das "Ballett der Drei Unzertrennlichen" von Charms. Die Zeit der jugendlichen Unbekümmertheit und das jüngste Produkt der Perestroika - der "Remix" der "Neuen Künstler" - brachten die entsprechenden Verhaltensformen hervor, welche, nach den Worten eines Rezensenten der damaligen Zeit, " einen auf pompöse Weise schüchternen wirkenden Chor der "Stilyagi" (2) sowie überwältigende Musik" gebar.

Timur Novikov, Ulyana Ceytlina, Chor der Stilyagi


Die Zuschauer mischten sich direkt in das "Ballett der Drei Unzertrennlichen" ein und weigerten sich, nach dem Schluß des Spektakels nach Hause zu gehen. Erst das Abschalten des Stroms konnte den Enthusiasmus des Publikums dämpfen.

Was die Werke Tolstojs und Dostojewskijs betrifft, so kann kaum besser beschrieben werden, wie mit ihnen umgegangen wurde, als durch ein Zitat von I. Potopov (das Pseudonym von Timur Novikov), das eine vergleichbare Metamorphose eines anderen klassischen Textes wiedergibt:

Timur Novikov, Georgy Guryanov,Igor Verichev. Bühnenausstattung von Evgenij Kozlov
Timur Novikov, Georgy Guryanov, Igor Verichev. Bühnenausstattung von Evgenij Kozlov


Timur Novikov, Ulyana Ceytlina, Igor Verichev

"Eines Tages beobachtete ich in der Vorortbahn im Archangelsker Gebiet folgende Szene: In den Waggon trat ein einfach gekleideter Mann, der vor sich einen Kasten trug, welcher an einen Leierkasten erinnerte. Er verkündete "Es wird gegeben das Schauspiel des genialen Werks des großen russischen Schriftstellers Fjodor Michailowitsch Dostojewskij 'Schuld und Sühne' ".

Die drei Unzertrennlichen Timur Novikov, Ulyana Ceytlina, Igor Verichev


Einige Personen warfen Münzen in eine Öffnung des Kasten mit der Aufschrift "20 Kopeken" ein, der Mann richtete sich zum Publikum und begann, eine Kurbel zu drehen, welche den Vorhang des Kasten hochzog (der Vorhang war schwarz, und auf ihm standen in goldenen Lettern Name von Autor und Werk), und sogleich erschien vor dem Publikum eine Bühnenmodell des Zimmers der alten Wucherin. In der Mitte des Zimmers stand die Alte über das Pfand gebeugt, und über ihrem Kopf hielt Raskolnikow das Beil.

Valery Alakhov

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Novye Kompozitory (New Composers): Igor Verichev ,Valery Alakhov


Ulyana Ceytlina, Georgy Guryanov, Timur Novikov

 Nachdem der Mann den Zuschauern die eingehende Betrachtung der Szene gestattet hatte, zog er plötzlich an einer Schnur, die an der Seite des Kastens befestigt war, und die Hand Raskolnikows ließ das Beil auf den Kopf der Alten fallen. Das wiederholte er mehrmals, bis der Kopf der Alten schließlich abfiel. Dann befestigte er den Kopf wieder, schloß den Vorhang und begab sich in den nächsten Waggon. Das Publikum aber ließ er in einer unbeschreiblichen Euphorie zurück."

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Ulyana Ceytlina, Georgy Guryanov, Timur Novikov


  

Text: Igor Chadikov

Übersetzung: Hannelore Fobo

Zuerst veröffentlich in NaDne 10/2001, St. Petersburg

Publikum und Akteure


Anmerkungen

(1) Der Titel des Filmes "Daunchaus" ist ein Wortspiel aus der russischen Slangwort "Daun" für einen Idioten (nach dem "Down- Syndrom) und der "House"- Musik der Clubs bzw. der ursprünglichen Bedeutung der englischen Begriffes als "Haus" und läßt sich somit als "Irrenanstalt" oder ""Haus für Verrückte übersetzen. Mehr zum Film unter www.film.ru/process/article.asp?ID=1518 (in russischer Sprache)

Novye Kompozitory (New Composers): Igor Verichev ,Valerij Alakhov



  

(2) Der Begriff "Stilyaga" bezeichnete ursprünglich in abwertender Weise die Jugendbewegung der Nachkriegszeit ("Halbstarke") welche ihre Selbstinszenierung durch aufwendig hergestellte, der westlichen Mode nachgeschneiderte Kleidung betrieb. Das provokative Potential dieser Extravaganz, die sich im Kampf um Zentimeter (Breite der Revers, Hosenbeine) zeigte und die Fantasielosigkeit der staatlichen Mode ächtete, war zumindest am Anfang erheblich. Sogar in der 11. Auflage des Russisch-Deutschen Wörterbuchs des Moskauer Verlags "Russij Yazyk" von 1991 findet man unter dem Schlagwort "Stilyaga" folgenden Eintrag: "Halbstarker, Modefatzke". Siehe auch Artikel "Good Evening Gustav"

Der Chor der Stilyagi; im Hintergrund Fotocollagen von Evgenij Kozlov: Oben Tritychon, o.T. (Sammlung Russisches Museum St. Petersburg), unten "Good Evening Gustav"


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Last updated 1 April 2018